Kommentar von Markus M.Keupp zum Ukraine-Russland Krieg

Markus M.Keupp ist an der Militärakademie der Schweizer Streitkräfte tätig. Auf X (vormals Twitter) hat er folgenden Kommentar zur aktuellen Lage gepostet:

1/ avdiivka wurde nicht vom boden aus erobert, sondern durch ein massives flächenbombardement aus der luft dem erdboden gleichgemacht.
2/ das verweist auf die strategischen probleme der ukraine: a. sie muss ihre knappe luftverteidigung, vor allem #patriot, zugunsten der städte und zivilen infrastrukturen einsetzen und kann daher die front schlechter verteidigen.
3/ seit kriegsbeginn operiert russland weitgehend ungestraft im luftraum über der frontr, weil die ukraine nicht genügend kampfflugzeuge hat. ansonsten wäre eine operation wie das bombardement von avdiivka nicht möglich.
4/ womit wir beim thema ressourcen sind: russland nimmt billigend in kauf, dass seine eigenen kampfflugzeuge verloren gehen, wenn sie für eine solche aktion eingesetzt werden. tatsächlich hat die ukraine auch einige abschiessen können, trotz der o.a. probleme..
5/ das russische ressourcenkalkül ist damit unverändert: egal, wieviel ihr abschiesst, wir können ewig nachschieben bzw. nachproduzieren.
6/ dieses märchen wird auch im westen gerne geglaubt, von einigen analysten wie auch von journalisten, die daraufhin artikel à la „outgunned and outnumbered“ publizieren (wir erinnern uns an den februar 2022?)
7/ ich habe mehrfach gesagt, dass dieses kalkül falsch ist. die russischen reserven sind gross, aber sie sind nicht unbegrenzt. die verlustquoten an der front übersteigen für jedes system – panzer, IFV, artillerie – die produktionsraten.
8/ woher kommt dann der nachschub? aus den mit sowjetischer technologie gefüllten lagern. die russische armee und rüstungsindustrie steht auf den füssen der sowjetunion. sie verbrennt deren – zugegebenermassen grosse – ressourcen.
9/ #putin führt den krieg also nach dem prinzip hoffnung: die ukraine wird aufgeben (oder vom westen im stich gelassen), bevor meine reserven durchgebrannt sind.
10/ die mediale wahrnehmung russlands ist durch diesen denkfehler verzerrt: man sieht das verfeuern der reserven und denkt, das käme aus der laufenden produktion. dem ist aber nicht so. bsp artilleriemunition. von ca. 17 mio granaten sind noch ca 5 mio übrig.
11/ beispiel panzer: die einsatzfähige reserve von ca. 3000 stück ist fast vollständig abgeschossen. was jetzt nachrückt, ist keine neuproduktion, sondern wieder flott gemachte t-80, t-72, t-62 und, ja, t-55 aus den lagern.
12/ reaktivierung sowjetischer technologie ist daher nicht gleichzusetzen mit neuproduktion. die frage, wie lange das gutgeht, ist also eine der abnutzungsrate. das können oder wollen meine russlandtrolle und deren fünfte kolonnen nicht begreifen.
13/ womit wir wieder bei avdiivka sind: 14 monate dauerangriff, 650 gepanzerte fahrzeuge, mindestens 16’000 mann verloren für einen geländegewinn von vier (!) kilometern. bitte macht weiter so.
14/ #syrsky hat daher recht, wenn er sagt, die ukraine geht in „strategische verteidigung“. abnutzungsraten wie im häuserkampf – obwohl da der verteidiger im vorteil ist – kann sie sich nicht leisten.
15 / was sie aber gut kann: die russischen verbände auf offenes gelände vorstossen lassen und die fahrzeuge dann mit drohnen und präziser artillerie herausnehmen, ohne dass russland die drohnenoperateure sehen oder bekämpfen kann.
16/ so funktioniert das auch in krynky, wo die ukraine seit monaten kontinuierlich fahrzeuge abschiesst, die die russen wieder wieder – und zwar vereinzelt – vorschicken. die gezielte massierung von kräften ist russland bis heute nicht gelungen.
17 / gelungen ist aber wie immer die auslandspropaganda: die westliche presse, die den krieg ohnehin als soap behandelt, spinnt sich in angstnarrative ein: avdiivka ist gefallen! alles ist verloren! – und die trolle rufen: verhandeln! verhandel!
18/ vielleicht sind manche nun aufgewacht und sehen avdiivka als warnzeichen: wie ernst ist es einem mit dem satz „russland muss gestoppt werden“ ? soll die ukraine überleben, führt kein weg vorbei an einer massiven ausweitung der waffenlieferungen.
19/ und zwar in dieser priorität: 1. artilleriemunition, 2. artilleriemunition, 3. kampfflugzeuge, 4. raketenartillerie zur fernzielbekämpfung. alles andere ist fototermin oder #appeasement . wie man hier entscheidet, wird die zukunft europas auf jahrzehnte prägen. / ende

2 Antworten

  1. augustin Widhalm sagt:

    Es wird der Ukraine immer zugesagt ,aber zuwenig geliefert. Wo-sind die versprochenen Flugzeuge-ect.

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